Als wortkarg und pragmatisch orientiert hatte man ihr die Westfalen geschildert, doch sie konstatierte ihnen innovatives und zukunftsorientiertes Denken in Sachen Beruf und Familie.
Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend war Gastrednerin der Regionalveranstaltung "Beruf und Familie in der Praxis - Kinderbetreuung und Pflege" im Kloster Gravenhorst. "Es ist für uns eine Auszeichnung, dass Sie heute hier sind", begrüßte Landrat Thomas Kubendorff den prominenten Gast. "Der demographische Wandel schüttelt unser Land kräftig durch", betonte die Ministerin. Schulen müssten aufgrund von Kindermangel schließen, altengerechte Wohnformen seien hingegen gefragt.
Auch in der Wirtschaft führe das zu dramatischen Konsequenzen. Bereits jetzt verliere sie jährlich bis zu 300 000 Arbeitskräfte. Bis 2015 sei mit einem Defizit von drei Millionen Arbeitskräften zu rechnen, da der entsprechende Nachwuchs fehle. "Das klingt bedrohlich, doch Angst ist ein schlechter Ratgeber", stellte die Ministerin fest. Familienfreundlichkeit sei ein bedeutender Standortfaktor. Darüber müssten sich Unternehmen im Klaren sein, wenn sie die begehrten Arbeitskräfte an ihre Standorte binden wollten. "Die jungen Menschen stimmen mit den Füßen ab, wenn sie die für sie wichtigen Faktoren nicht vorfinden", sagte Kristina Schröder. Das bedeutet, sie wandern möglicherweise in eine andere Region ab.
Die Ministerin formulierte Forderungen. "Ich erwarte nicht, dass jede Mutter bereits nach einem Jahr ihre Arbeit wieder aufnimmt, ich will aber, dass sie eine Wahl hat", hob die Familienministerin hervor. Rund 60 Prozent aller Unternehmen erkennen mittlerweile, dass Familienfreundlichkeit ein zentraler Bestandteil der Personalentwicklung ist. Es müsse Zeit für die Arbeit, aber auch Zeit für die Verantwortung den Kindern gegenüber geben.
Das Thema der Verantwortung für pflegebedürftige ältere Familienmitglieder brachte der Gast aus Berlin ebenfalls auf den Tisch. Entgegen der landläufigen Meinung würden zurzeit zwei Drittel aller Pflegebedürftigen zu Hause versorgt. Das sei eine große psychische und physische Belastung für alle Beteiligten. Die Mehrheit der Pflegenden sei berufstätig. Schröder kann sich ein Familienpflegezeit-Modell vorstellen, bei dem der Pflegende nur noch zu 50 Prozent arbeite, aber 75 Prozent des Gehaltes ausgezahlt bekomme. Würde er wieder zu 100 Prozent berufstätig sein, verzichte er wiederum auf 25 Prozent seines Einkommens, bis das Konto wieder ausgeglichen sei.