Das Projekt „Netzwerk FAMILIE - ARBEIT - MITTELSTAND im MÜNSTERLAND – FAMM“ ist abgeschlossen. Diese Projektwebsite www.fam-muensterland.de steht weiterhin für alle Interessierten offen, sie wird allerdings nicht mehr aktualisiert.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch nach Projektabschluss für uns und unsere Partnerorganisationen ein wichtiges Anliegen. Verfolgen Sie auf unserer Homepage www.heurekanet.de, wie wir die Vereinbarkeit in der Gesundheitswirtschaft mit dem Projekt ampaq und im Maschinen- und Anlagenbau mit dem Projekt FAM²TEC voranbringen.


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Pressemeldung, 14.11.08
Pressemeldung, 14.11.08

„Die Zukunft ist schon da, aber noch nicht gleichmäßig verteilt“

Dülmen, 14.11.2008. Warum wird eine familienbewusste Personalpolitik immer wichtiger, und wie steht es um die Entwicklung entsprechender Angebote und Maßnahmen in den Unternehmen in Deutschland und in der Region? Diese Fragen standen am vergangenen Donnerstag (13. November) im Mittelpunkt beim InnovationsIMPULS der wfc Wirtschaftsförderung Kreis Coesfeld GmbH, der mit rund 50 Teilnehmern regen Zuspruch erhielt.

Mit ihren Begrüßungsreden führten Manfred Ballensiefen, Vorstand des Gastgebers VR-Bank Westmünsterland eG, und Klaus Ehling, Geschäftsführer der wfc, die Zuhörer in den Räumen der VR-Bank am Königswall in Dülmen unmittelbar in das Thema des Abends. „Fachkräfte sind zu einer knappen Ressource geworden", stellte Manfred Ballensiefen fest. Das sei einer der Gründe, warum familienbewusste Personalpolitik in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussion gerückt sei. Klaus Ehling verwies auf die Tragweite der Konsequenzen, die dem Kreis Coesfeld durch den Fachkräftemangel drohen. Die hervorragende Arbeitslosenquote von aktuell nur 3,6 Prozent könne sich in diesem Zusammenhang zu einem Argument gegen den Standort wandeln: „Unternehmen werden kaum damit rechnen, hier vor Ort ihren Bedarf an Fachkräften decken zu können", sagte Ehling. Um so mehr käme es jetzt darauf an, ein bislang weitgehend ruhendes Potenzial zu aktivieren: „Es gibt in unserer Region viele Frauen, die allein durch mangelnde Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf von einem ihrer Qualifikation angemessenen Arbeitsleben abgehalten werden", stellt der wfc-Geschäftsführer fest. Hier setzte die Arbeit des neuen FAMM-Projektes an (Netzwerk Familie-Arbeit-Mittelstand im Münsterland), das in Person von wfc-Mitarbeiterin Dr. Kirsten Tacke-Klaus den Unternehmen der Region, die ihre Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern wollen, eine Ansprechpartnerin biete. Eine wichtige Aufgabe für FAMM sei die Entwicklung eines Markensiegels nach dem Vorbild des Audits „berufundfamilie" als Qualitätsnachweis für die Familienfreundlichkeit speziell klei-nerer und mittlerer Unternehmen.

Aktuelle wissenschaftliche Fakten und Erkenntnisse zum Thema lieferte die Leiterin des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik (FFP), Prof. Dr. Irene Gerlach. Das FFP ist eine Einrichtung an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Steinbeis-Hochschule Berlin und hat die Aufgabe, wissenschaftlich tragfähige Aussagen über Kosten und Erträge familienfreundlicher Maßnahmen in Unternehmen zu gewinnen. Im Referat Prof. Dr. Gerlachs wurde deutlich, dass sich nicht nur im Kreis Coesfeld, sondern deutschlandweit die Unternehmen der demographischen Entwicklung und des rasanten Abfalls des Erwerbspersonenpotenzials stellen müssen. Welche betriebswirtschaftlichen Effekte sich in diesem Zusammenhang mit einer familienbewussten Personalpolitik erzielen lassen, zeigte die Wissenschaftlerin anhand der Ergebnisse einer repräsentativen Unternehmensbefragung durch das FFP. Demnach schneiden familienbewusste Unternehmen im Hinblick auf Zahl und Qualität der Bewerbungen, auf das Image sowie Produktivität, Motivation und Bindung der Mitarbeiter grundsätzlich und zum Teil deutlich besser ab als nicht familienbewusste Unternehmen. Zudem ist in den familienfreundlichen Unternehmen die Rückkehrquote aus der Elternzeit höher. Die Wiedereingliederungskosten, die Fluktuationsrate sowie der Krankenstand sind geringer, die Kundenbindung steigt.

„Eine familienbewusste Personalpolitik stellt somit einen wichtigen betriebswirtschaftlichen Entscheidungsparameter dar, der den Unternehmenserfolg nachhaltig beeinflusst", resümierte Prof. Dr. Gerlach, die in diesem Wandel der Familienfreundlichkeit von einem „weichen" zu einem „harten" Standortfaktor einen wichtigen Grund sieht, dass sich immer mehr Unternehmen aller Größenordnungen dem Thema öffnen. „Vor drei bis fünf Jahren war das anders", fügt sie an.

Ganz anders, als zurzeit in vielen Unternehmen üblich, stellt sich der Ber-liner Journalist Markus Albers das moderne Arbeitsleben vor. Mit seinem erfolgreichen Buch „Morgen komm ich später rein" hat er eine wichtige Grundlage für die gesellschaftliche Diskussion gelegt. Den Teilnehmern am InnovationsIMPULS präsentierte er die Kernaussagen seiner Rechercheergebnisse und Erkenntnisse in einem pointierten Vortrag. Insgesamt durchschnittlich sieben Jahre ihrer Lebenszeit verbringen Angestellte aus den Dienstleistungsbereichen im Büro, rechnete der Berliner Journalist vor. In dieser Zeit seien sie, trotz oder gerade wegen der Präsenzpflicht, rund 2,5 Jahre lang abgelenkt von der eigentlichen Arbeit. Albers Lösungsvorschlag: Arbeiten wann und wo man wolle. Die Voraussetzungen für den strukturellen Umbruch zur absoluten Zeitsouveränität der Angestellten seien dank moderner Kommunikationstechnologie nunmehr gegeben. „Moderne Arbeit sollte allein nach ihrem Ergebnis beurteilt werden, nicht nach der im Büro verbrachten Zeit", ist Markus Albers überzeugt. Die damit verbundene gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf würde den Unternehmen Ausgaben ersparen: „Durch mangelnde Mitarbeitermotivation gehen der Wirtschaft in Deutschland jährlich 220 Milliarden Euro verloren", sagte der Autor. Immer mehr große Unternehmen setzten daher auf eine feste Verankerung der Familienfreundlichkeit in ihrer Philosophie. Die Ist-Situation brachte Albers mit einem Zitat des Science-Fiction-Autors William Gibbons auf den Punkt: „Die Zukunft ist schon angekommen, aber noch nicht gleichmäßig verteilt".

Das gelte auch für die Lage im Kreis Coesfeld, stellten die Teilnehmer der sich anschließenden und von der Radiomoderatorin Eva Voss moderierten Diskussionsrunde am „Runden Tisch" übereinstimmend fest. Kornelia Cordes berichtete von ihren positiven Erfahrungen als Projektleiterin „auditberufundfamilie" bei den Coesfelder Christophorus-Kliniken. Von flexiblen Arbeitszeiten über einen Mittagessensservice für die Kinder durch die hauseigene Kantine bis hin zu einem Bügelservice böten die Kliniken ihrem Personal viele Entlastungsmöglichkeiten, die sehr gut angenommen würden. Von ähnlichen Erfolgen in seinem Unternehmen berichtete Sebastian Termersch, der sich bereits in Studienzeiten mit dem Thema beschäftigt hatte: „Durch die Einführung der flexiblen Arbeitszeiten sind unsere Mitarbeiter trotz Schichtbetrieb ausgeruhter und motivierter als das früher der Fall war", sagt der Geschäftsführer der Degafol Folien GmbH in Senden. Dass das Konzept seiner Firma ein Vorbild, aber im Kreis Coesfeld noch nicht der Regelfall ist, davon ist der Unternehmensberater Uwe Werther überzeugt: „Es hat sich in der Region schon einiges getan, aber es gibt noch Spielraum", sagte der Geschäftsführer der Projektplan Wirtschaft in Münster. Ein besonders umfangreiches, ganz auf die Bedürfnisse berufstätiger Eltern und deren Kinder abgestimmtes Spektrum an Angeboten hat der Froebel Kindergarten in Olfen entwickelt. Dessen Leiterin Ruth Stenczl beantwortete die Frage der Moderatorin nach dem größten Wunsch für die Zukunft ansatzlos: „Dass in zehn Jah-ren die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf in unserer Region etwas ganz Normales ist."