Nach Ernst-Wolfgang Böckenförde, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, lebt der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Bezogen auf Familien heißt das für den Verfassungsrechtler Paul Kirchhoff, dass der Staat darauf aufbaut, dass es auch in Zukunft viele Kinder gibt, die den Kulturstaat tragen, das Wirtschaftssystem am Leben halten, die Demokratie mit Inhalten und Gedanken füllen. Darum ist der Staat aufgerufen, den in Artikel 6 des Grundgesetzes formulierten Schutzauftrag für Kinder und Familien mit oberster Priorität umzusetzen - dies erfordere nicht in erster Linie die Verfassung, sondern dies erfordern nach Kirchhoff die vitalen Interessen eines jeden Gemeinwesens.
In Artikel 6 (2) GG heißt es: Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
Die Betreuung der eigenen Kinder war mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland ganz selbstverständlich Privatsache. Akteure waren in erster Linie Mütter -seltener Väter-, unterstützt durch Großeltern, andere Verwandte sowie vereinzelt durch Freunde und Nachbarn.
Doch spätestens mit dem unaufhaltsamen Aufstieg der Mädchen und jungen Frauen im Bildungssystem, mit der wachsenden Zahl gut qualifizierter junger Frauen am Ende ihrer Schul- und Studienzeit wurde absehbar, dass die Frage der Betreuung der Kinder nicht mehr allein privat gelöst werden konnte. Eine generelle Zunahme der Erwerbsorientierung von jüngeren Frauen und Müttern erhöhte den privaten wie öffentlichen Handlungsdruck in Sachen Kinderbetreuung.
In den letzten fünfzehn bis zwanzig letzten Jahren hat es -nicht zuletzt angesichts internationaler Vergleiche- in den Fragen nach der demografischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, nach den Geschlechterrollen, nach der Aufteilung von Familienleben und Erwerbstätigkeit und damit nach privater und /oder öffentlicher Kinderbetreuung und deren Qualität einen erheblichen Diskussions- und Entwicklungsschub gegeben. Seit geraumer Zeit kommen auch die unter Dreijährigen mehr und mehr in den Blick.
Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2013 für bundesweit 35 Prozent der Kinder im Alter von ein bis drei Jahren Betreuungsplätze in einer Tageeinrichtung oder in der Kindertagespflege zu schaffen. Rund ein Drittel der neuen Betreuungsplätze sollen in der Kindertagespflege entstehen.
Unstrittig ist, dass Eltern ihre Kinder, gerade die jüngsten, in den besten Händen wissen wollen.
Unstrittig ist auch, dass die Wahlfreiheit der Eltern das oberste leitende Prinzip bei der Frage nach der Kinderbetreuung zwischen elterlicher Sorge und öffentlicher Verantwortung sein und bleiben muss.
Bleibt zu fragen, wie diese Wahlfreiheit bei uns im Münsterland garantiert wird?
Bleibt zu fragen, wie die tatsächlichen Betreuungsbedarfe von Müttern und Vätern bei uns im Münsterland aussehen?
Das FAMM-Projekt will bis 2011 Antworten geben und passgenaue Lösungen entwickeln!
Münster, Oktober 2008
Stefanie Pfennig